L P D – Nicht nur für die Landwirte, auch für die Rehkitzretter stellte das Frühjahr mit den langanhaltenden Niederschlägen eine Besonderheit dar. Das unbeständige Wetter führte dazu, dass für einige Tage zu viele Anfragen aufgelaufen sind, während an anderen Tagen die Rehkitzerrettungsvereine oftmals Leerlauf verzeichnen mussten.
„Besonders auffällig in diesem Jahr war, dass wir sehr lange und sehr spät noch viele Jungtiere finden und sichern konnten“, berichtet Sarah Meyer vom Rehkitzrettungsverein Fischerhude gegenüber dem Landvolk-Pressedienst. „Deshalb haben wir die Saison verlängert und sind ein noch paar Tage länger geflogen, um genügend zeitlichen Sicherheitsabstand zu haben. Das war auch nötig. Bis zum 10. Juli konnten wir etliche Junghasen sichern“, freut sich die Vorsitzende über eine erfolgreiche Saison.
An 46 Einsatztagen haben die Teams rund um Fischerhude insgesamt mehr als 2.300 Hektar (ha) Grünland abgesucht. Das über drei Monate anhaltende Hochwasser bedeutete für die Tiere, die sich auf kleinen trockenen Flächen sammeln mussten und dementsprechend deutlich weniger Futter und Abstände zur Verfügung hatten, viel Stress. „Neben Kitzen, konnten wir auch wieder Gelege von geschützten Bodenbrütern wie Brachvogel und Kiebitz aufspüren, sowie von Fasanen und Enten und anderen Tieren, wie Igel und Junghasen“, zeigt Meyer die Vielfalt auf.
„Erstmals seit fünf Jahren Rehkitzrettung haben wir einige Nacht- mit darauffolgenden Frühschichten eingelegt, um die vielen Anfragen der Landwirte überhaupt bedienen zu können“, berichtet Marion Werner von der Rehkitzrettung Lehre. An 39 Tagen wurden 255 Wiesen mit einer Gesamtfläche von 621 ha in 25 Ortschaften abgesucht. Der Einsatz habe sich gelohnt. 79 Kitze, zwei Fasanenküken und zwei Fasanengelege konnten gerettet werden. Aufgrund der verzögerten Mahd ließen sich einige Kitze nicht mehr in Körben sichern: Sie hatten zwar schon ihren Fluchtinstinkt, waren aber noch nicht flink genug, um vor dem Mähwerk zu flüchten. „Deshalb flog die Drohne vor dem Mähwerk her. Der Maschinenführer wurde bei Gefahr per Funk kontaktiert. So konnten einige Kitze vor dem Schneidwerk bewahrt werden“, beschreibt Werner die Besonderheit dieser Saison.
220 Kitze, 2.129 ha und 182 Einsätze: So lautet die Bilanz der Jägerschaft Seesen, die gemeinsam mit der Rehkitzrettung Goslar und 14 Drohnen am Start war. Als Besonderheit berichtet Michael Schwerdtfeger über ein bei der Mahd verletztes Rehkitz, das jetzt aufgezogen wird. „Rocky wurde vom Jagdpächter zur Pflegefamilie gebracht und kann nach viel Mühe und Physiotherapie schon wieder laufen“, berichtet Schwerdtfeger. Dank Sondergenehmigung konnten die Rehkitzerretter am Harzrand ohne Probleme auch mit den älteren Drohnen fliegen. „Jetzt hoffen wir auf eine dauerhafte Lösung, da diese bis September begrenzt ist“, verweist Schwerdtfeger auf die bürokratischen Hürden, die die Rehkitzrettung erschweren.
„Unser Highlight war ein Schlag Grünland mit 17 ha aus dem wir neun Rehkitze gesichert haben“, berichtet Jörg Grabandt von der Rehkitzrettung Weserbergland. Die erneute Förderung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ermöglichte dem Verein den Kauf einer aktuellen Drohne mit der Kitze und Verdachtsstellen direkt im Flug markiert werden können. „Die Suchteams laufen dann mit Handy oder IPad los und können das Kitz selbständig auffinden und sichern, während der Flug mit der Drohne weiterläuft“, erklärt Grabandt den Vorteil. „Insgesamt haben wir 50 Kitze auf 113 Schlägen gesichert“, freut er sich über die diesjährige Bilanz.
Von Ende April bis Ende Juni sind die Rehkitzretter aus Hardegsen geflogen und haben insgesamt 72 Kitze gesichert und weiteren Tieren das Leben gerettet. Auch im Süden Niedersachsens war diese Saison mit dem ersten frühen Schnitt Ende April, der langanhaltenden Schlechtwetterperiode bis Anfang Juni und der Heuernte innerhalb von fünf Tagen laut dem Vereinsvorsitzenden und Hegeringleiter Lars Sievert besonders. „In Relation dazu wurden aber weniger Kitze gesichert als im Vorjahr, denn während der langen Schlechtwetterzeit war eine Heuernte nicht möglich und die Kitze konnten unbeschadet gesetzt und älter werden“, erklärt der Hegeringleiter. Mit fast 759 ha wurde die abgesuchte Fläche fast verdoppelt, auch waren mehr Einsatztage nötig. „Die Helfer leisteten eine unglaubliche Arbeit in der Zeit. Die Organisation und Koordination der abzusuchenden Flächen, die Helferzusammenstellung und der Austausch mit den Landwirten waren eine Meisterleistung. Ich bin unsagbar stolz auf unser Team“, schildert Sievert das Miteinander. Im Großen und Ganzen sei er mit Entwicklung zufrieden. Insgesamt steige zwar die Bereitschaft der Landwirte, Flächen abzusuchen, doch es dürften sich gerne noch mehr Landwirte, Nebenerwerbslandwirte und auch Lohnunternehmen an der Rehkitzrettung beteiligen. „Fast 75 Prozent der betroffenen Felder werden bei uns abgesucht, aber die Besitzer der übrigen 25 Prozent könnten auch noch mitmachen. Wir werden weiter überzeugen, dass sich die Suche lohnt und Mähzeiten verschoben werden sollten, um mehr Kitze und weitere Tiere zu retten“, sieht Sievert bei der Bereitschaft der Landwirte weiterhin noch Luft nach oben. (LPD 61/2024)
Silke Breustedt-Muschalla
Redakteurin
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